Auerhaus, Thalia in der Gaußstraße

Aurhaus Thalia-Theater
Aurhaus

Bov Bjergs (eigentlich: Rolf Böttchers) Jugendroman „Auerhaus“ erschien 2015 und erzählt eine Episode aus dem Leben einiger Jugendlicher, die Anfang der 1980er Jahren in einem Dorf in der Nähe von Stuttgart lebten, letztliche eine melancholische Geschichte über den Verlust der Jugend. Der Titel nimmt Bezug auf den Hit „Our House“, der Gruppe Madness. Das Buch war sehr erfolgreich, wurde von der Kritik gefeiert und liefert die Vorlage für ein Theaterstück gleichen Namens, das an mehreren deutschen Bühnen aufgeführt wurde, auch am Hamburger Thalia Theater, wo es im kleinen Haus an der Gaußstraße im November 2017 Premiere hatte.

In Rückblicken wird die Geschichte einer Schüler-WG erzählt, die in ein altes Bauernhaus eingezogen ist, um einen der ihren vor dem Selbstmord zu bewahren. Pascal Houdos als Höppner, Franziska Hartmann als seine Freundin Vera, Julian Greis als Harry und Toini Ruhnke als Pauline erzählen, wie ihr Freund „Frieder“ versucht hat, sich mit Schlaftabletten umzubringen. Frieder steht zwar im Zentrum des Stückes, doch er spielt als Person selber nicht mit. Der Musiker Frieder Hepting sorgt als fünfte Person auf der Bühne für musikalische Einlagen. Und bisweilen wird er von den vier Darstellern als Frieder angesprochen, doch am Geschehen nimmt er nur durch die Erzählungen teil. Das von Franziska Autzen inszenierte Stück beginnt mit der Beerdigung Frieders. Die vier jungen Leute schildern ihre Träume von der Zukunft, ihre Erlebnisse in der Schule und berichten von Frieders erstem Selbstmordversuch. Höppner ist sein bester Freund. Frieder wird nur einen durch Zufall gerettet und dann in die Psychiatrie überwiesen. Dort lernt er Pauline kennen. Um den depressiv veranlagten Frieder nach der Entlassung vor weiteren Dummheiten zu bewahren, ziehen die Freunde in das herunter gekommene Haus, das Frieders verstorbenem Opa gehört hatte. Dort gestalten die Jugendlichen ihr Zusammenleben wie in einer Familie und erleben auch die gleichen Auf und Abs. Weitere Leute kommen hinzu, wie Harry, der Drogen nimmt, damit dealt und sich am Stuttgarter Bahnhof prostituiert. Die Clique lässt sich zu Dummheiten hinreißen, die Jugendlichen werden straffällig und schließlich zerplatzen alle Träume von einer schönen Zukunft wie Seifenblasen. Jeder scheitert auf andere Weise. Und Frieder nimmt sich, nachdem die WG sich aufgelöst hat, wie befürchtet doch noch das Leben. Seine Freunde erfahren später, dass ein merkwürdiges fensterloses Zimmer im alten Bauernhaus sein Kinderzimmer war.

Auerhaus-Thalia-Gaußstraße
Auerhaus-Thalia in der Gausßstraße

Auf der kargen dunklen Bühne ist ein Klettergerüst anstelle des Bauernhauses die einzige Kulisse. Davor und darin setzten die vier Darsteller und der Musiker die Erlebnisse grandios in Szene. Die Geschichte selber wird dabei eigentlich gar nicht gespielt, sondern nur erzählt. Doch in der Erzählung werden die berichteten Ereignisse durch das ausdrucksstarke Spiel der Akteure auf eine intensive Art lebendig. Pascal Houdos, Julian Greis, Franziska Hartmann und Toini Runke bieten mitreißende Schauspielkunst, fesseln die Zuschauer und ziehen sie in das Geschehen hinein. Zusammen mit Frieder Hepting wird zwischendrin musiziert und gesungen. Julian Greis und die wunderbar wandlungsfähige Franziska Hartman haben ja schon in vielen Inszenierungen bewiesen, dass sie auch großartige Sänger sind. Das Gerüst lädt zum Klettern und zu akrobatischen Übungen ein und von dieser Möglichkeit wird ausgiebig Gebrauch gemacht. Auf offener Bühne werden elegant die Kostüme gewechselt und zwischendrin wird das Publikum mit einbezogen. Mit zunehmender Dauer nimmt die Geschichte ein immer größeres Tempo auf und strebt schließlich dem tragischen Ende zu. In einem Moment der Stille klingt die Inszenierung auf nachdenkliche Weise aus.

Aurhaus von Bov Bjerg, Thalia in der Gaußstraße

Regie:
Franziska Autzen 
Musik:
Frieder Hepting
Johannes Hofmann 
Bühne:
Ute Radler
Kostüme:
Miriam Zabek
Dramaturgie: 
Emilia Linda Heinrich
Darsteller:
Julian Greis (Harry)
Franziska Hartmann (Vera)
Pascal Houdus (Höppner)
Toini Ruhnke (Pauline)
Live-Musik und „Frieder“: 
Frieder Hepting

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